23 Jan. Wenn es mit dem Kindergartenplatz nicht klappt: Klagen hilft!
Für viele Eltern ist spätestens der 3.Geburstag des Kindes Anlass, einen Antrag auf Zuweisung eines wohnortnahen Kindergartenplatzes bei der zuständigen Gemeinde zu stellen. Gerade im hiesigen Bereich kann derzeit nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangenen werden, dass allen Antragstellern ein solcher Platz zur Verfügung gestellten werden kann. Die Kapazitäten sind erschöpft. Antragsteller werden auf Wartelisten gesetzt oder aber auf Tagespflegestellen verwiesen.
Tatsächlich muss eine solche Ablehnung oder aber ein Verweis auf eine Tagespflegestelle n i c h t hingenommen werden. Betroffene haben nicht nur das Recht, das Angebot auf eine Tagespflegestelle als Alternative zum Kindergartenplatz für das 3-jährige Kind abzulehnen, sondern können ebenso das Verwaltungsgericht anrufen. Dort wird in der Regel dem Klageantrag stattzugeben sein, weil der Anspruch des 3-jährigen Kindes auf einen solchen Platz nicht erfüllt werden kann durch den Verweis auf ein alternatives Angebot zur Betreuung in einer Tagespflege und der Anspruch selbst nicht einem Kapazitätsvorbehalt unterliegt.
Das Verwaltungsgericht Stade und diesem übergeordnet das Oberverwaltungsgericht Lüneburg haben hierzu folgende rechtliche Rahmenparameter vorgegebenen:
- 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII bestimmt, dass ein Kind, welches das 3. Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung hat. Dieser Anspruch richtet sich nach § 12 Abs. 1 S. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KitaG) auf einen Platz in einer Vormittagsgruppe eines Kindergartens. Der Anspruch ist möglichst wohnortnah zu erfüllen. Nach § 8 Abs. 2 S. 1 KitaG müssen die Kindertagesstätten für alle Kinder wenigstens an 5 Tagen in der Woche vormittags eine Betreuung in der Gruppe von mindestens 4 Stunden anbieten. Des Weiteren haben darüber hinausgehend gemäß § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (hier der Landkreis Verden) darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. § 8 Abs. 2 S. 2 KitaG regelt, dass der örtliche Träger und die Gemeinde darauf hinzuwirken haben, dass je nach Bedarf in zumutbarer Entfernung Kindertagesstätten angeboten werden, die ganztags betreuen oder zu mindestens eine tägliche Betreuungszeit von wenigstens 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche anbieten.
Diese gesetzlichen Grundlagen haben zur Folge, dass Kinder ab dem 3. Lebensjahr einen rechtlich einklagbaren Anspruch auf eine mindestens vierstündige Betreuung in einer Vormittagsgruppe an 5 Tagen in der Woche in einer wohnortnahen Kindertagesstätte haben. Lediglich für den Fall, in denen die individuelle Bedarfssituation der Familie und die insoweit vorzunehmende Prüfung und Berücksichtigung der besonderen sozialen Situation der Familie dies ermöglichen, kann der Rechtsanspruch des Kindes im vorgenannten Umfang auch durch das Angebot eines Kindergartenplatzes in einer Nachmittagsgruppe erfüllt werden. Andernfalls verdichtet sich der Anspruch des Kindes auf die Gewährung eines Kindergartenplatzes in einer Vormittagsgruppe (so bereits Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24.01.2003, 4 ME 596/02). Dies hat zur Folge, dass nur in den Fällen, in denen z. B. nicht beabsichtigt ist, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen oder aber die sozialen Belange dies zulassen, der Rechtsanspruch des Kindes auf eine vierstündige Betreuung in einer Kindertageseinrichtung durch das Angebot eines Nachmittagsplatzes erfüllt werden kann. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass der Rechtsanspruch des Kindes nur durch eine vierstündige Betreuung in einer Vormittagsgruppe in einer Kindertagesstätte erfüllt werden kann.
Dieser Rechtsanspruch des Kinders, der im Falle der Ablehnung durch die Gemeinde durch Anrufung des Verwaltungsgerichts gerichtlich eingefordert werden kann, kann nicht unter einen Kapazitätsvorbehalt gestellt werden(s. insbesondere Verwaltungsgericht Stade Az. 4 B 523/19 sowie Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht vom 20.06.2019 zum Az. 10 ME 134/19). Die Gemeinde und auch der Träger können mithin nicht mit dem Einwand, es seien keine freien Plätze mehr in Kindertagesstätten vorhanden, dem Rechtsanspruch entgegentreten. Auch kann nicht auf eine Warteliste abgestellt werden. Ein freier Platz hat schlicht und einfach vorhanden zu sein!
Die Möglichkeit, dass dreijährige Kind auf eine Betreuung in einer Tagespflege zu verweisen, genügt ebenfalls nicht der Erfüllung des vorgenannten Rechtsanspruchs des Kindes. Auch kann für den Fall, dass die Eltern sich hiermit zunächst behelfen – z. Bsp. weil die Mutter ihre berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat -, schlussendlich nicht dauerhaft abgestellt werden. Eine solche vorübergehende Wahl des dreijährigen Kindes bzw. der Eltern hindert nicht an der Einforderung des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf eine Betreuung in einer Kindertageseinrichtung.
Unter bestimmten Umständen kann das Kind, vertreten durch seine Eltern, in einem Eilverfahren diesen gesetzlichen Anspruch einfordern, damit das Kind nicht durch bloßen Zeitablauf seines Rechtsanspruchs verlustig geht.
(So insgesamt Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 16.01.2020 zum Aktenzeichen 4 B 1666/19).