04 Feb Der Notar im Fokus der Strafverfolgungsbehörden – Pflichtwidrige Gebührenunterschreitung und ihre Folgen
Seit Anklageerhebung im Jahr 2012 hatte sich das Landgericht Kiel mit einer bis dato noch nicht zur Entscheidung anstehenden strafrechtlichen Problematik auseinanderzusetzen. Ein Angeklagter, tätig als Immobilienkaufmann, hatte seit 2005 mit einem Notar und nach dessen Ausscheiden aus dem Notariat mit dessen Rechtsnachfolger, eine Regelung dahingehend getroffen, dass diese Notare von ihm bevorzugt mit Beurkundungsvorgängen betraut werden würden. Im Gegenzug sollten die Notare dann jedoch für diese Beurkundungen wiederum nicht die vollen gesetzlichen Gebühren einfordern, sondern diese lediglich in hälftiger Höhe.
Nachfolgend sind dann in Bezug auf den ersten Notar 94 Beurkundungen und vom zweiten Notar 49 Beurkundungen auf Basis dieser Vereinbarung durchgeführt worden, wobei insgesamt ein „Verzicht „ auf Gebühren in sechsstelliger Höhe anfiel.
Das mit dieser Vorgehensweise die beteiligten Notare ihre jeweiligen Dienstpflichten verletzten, ist selbstverständlich und war auch allen Beteiligten bekannt. Das Landgericht hatte nun zu prüfen, ob dies auch – und wenn ja für welchen Beteiligten – strafrechtliche Relevanz hat. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass das Verhalten insgesamt straflos sei. Zum einen fehle es an einer Diensthandlung, die einer der Notare pflichtwidrig vorgenommen bzw. unterlassen habe, zum anderen hätten die Notare keinen Vorteil im Sinne der §§ 331 ff. StGB erhalten. Diese Rechtsauffassung stand nun beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes zur Überprüfung an.
Die vorgenannten Vorschriften des Strafgesetzbuches regeln auf der einen Seite die Vorteilsannahme/Bestechlichkeit eines Amtsträgers (§§ 331, 332 StGB) und auf der anderen Seite die Vorteilsgewährung/Bestechung eines Amtsträgers durch einen Dritten (§§ 333, 334 StGB). Voraussetzung für die Strafbarkeit ist entweder das Anbieten bzw. Entgegennehmen eines Vorteils für die Ausübung des Dienstes oder aber einer Diensthandlung, die darüber hinaus auch die Dienstpflichten des Amtsträgers verletzt. Die Varianten der Bestechlichkeit bzw. der Bestechung (§§ 332, 334 StGB) stellen damit die erheblichere Straftat dar. Für den Amtsträger beträgt der Strafrahmen 6 Monate bis zu 5 Jahren, für den Dritten 3 Monate bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe.
Der 5. Strafsenat hat nun in seiner Entscheidung vom 22.03.2018 (Az. 5 StR 566/17) unmissverständlich die strafrechtliche Relevanz solcher Absprachen sowohl für den Notar als auch für den beteiligten Dritten klargestellt. Der Notar ist gemäß § 1 BNotO Amtsträger im Sinne der gesetzlichen Vorschriften und nimmt mit der Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren nach der Bundesnotarordnung eine Diensthandlung im Sinne der vorgenannten Strafvorschriften wahr. Weiter stellt der Strafsenat nochmals ausdrücklich klar, dass der Notar uneingeschränkt zur Erhebung der vollen gesetzlichen Gebühren amtlich verpflichtet ist. Durch diese Amtspflicht soll verhindert werden, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Notaren kommt und die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege gewährleistet ist. Nur durch Einhaltung dieser Vorgaben ist die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen durch leistungsfähige Notariate gesichert. Folgerichtig sind aus diesem Grunde auch die Gebühren eines Notars abgesehen von den gesetzlich vorgegebenen Ausnahmen jeglicher Vereinbarung entzogen, die sich auf ihre Höhe auswirkt.
Mit der aufgrund der getroffenen Vereinbarung stattgefundenen Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren ist nach Auffassung des 5. Senats damit unzweifelhaft eine pflichtwidrige Dienstausführung erfolgt. Mit seinen weiteren Ausführungen stellt der Senat dann aber auch klar, dass umgekehrt diese pflichtwidrige Diensthandlung auch mit einem entsprechenden Vorteil für den beurkundenden Notar verknüpft gewesen ist, nämlich mit der in Aussicht gestellten und von der reduzierten Zahlung der Rechnungen abhängigen Erteilung der Folgeaufträge. Ein Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte sei jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren dann zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Da der Sachverhalt dort von seiner Ausgangssituation her jedoch klar ist, steht zu erwarten, dass nunmehr auch das Landgericht der Auffassung des Bundesgerichtshofs folgend eine Verurteilung ausspricht. In der einschlägigen Fachliteratur jedenfalls hat diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes fast ungeteilt Zustimmung erfahren.
Damit wurde erstmals die besondere Stellung des Notars auch in Bezug auf die Abrechnungen seiner Leistungen einer strafrechtlichen Würdigung unterzogen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bedeutet, dass nicht nur die entsprechend agierenden Notare selbst, sondern auch deren Auftraggeber (die Vertragsparteien, Makler usw.) ein erhebliches strafrechtliches Risiko eingehen. Dies gilt nicht nur in Fällen der Reduzierung von Gebühren sondern auch für Zahlung von Vermittlungsprovisionen ect. Wie der zur Aburteilung stehende Fall zeigt, ist es auch keineswegs so, dass derartige Vereinbarungen den Kreis der Beteiligten nicht verlassen. Jeder Mitwisser oder sonst wie Beteiligte ist eine potentielle Gefahrenquelle, die die Aufdeckung dieser Vorgehensweisen ermöglicht. Soweit in der Vergangenheit hinsichtlich dieser Fallgestaltungen ein Problembewusstsein bei den Beteiligten überhaupt nicht gegeben war, sollte diese Entscheidung Anlass sein, hier kurzfristig umzudenken.